"Rattle!" "Nein, Pappano, du taube Nuss!”

Ein bekannter deutscher Comedian erzählte einmal in einem Radiointerview folgende Geschichte: „Als ich zum ersten mal bei meiner jetzigen Frau zu Hause eingeladen war sah ich mir ihre Plattensammlung durch. Und ich sage Ihnen: Hätte ich nur eine einzige Bon Jovi – Platte gefunden, ich wäre wieder gegangen.“

Nun ist dieser Comedian ganz gewiss kein Klassikfanatiker oder Jazz-Purist. Ich glaube viel eher, dass für ihn Bon Jovi der Inbegriff des weichgespülten Möchtegern -Hardrocks ist, eine aufgeblasene Chimäre aus Kommerz und unglaubwürdiger Rocker - Attitüde. Mit einem Wort: Unehrlich.

Taren – Ida Ackermann und Julia Merill fanden in einer Studie über Abneigung gegenüber bestimmter Musikstile heraus, dass nicht nur die Musik und die Texte selbst eine Rolle spielen sondern auch in großem Maße die Soziologie - man sich also nicht unbedingt wegen der Töne oder Worte angezogen oder abgestoßen fühlt sondern wegen der Menschen, die diese Musik hören. Und das trifft natürlich auch und insbesondere auf klassische Musik zu.

Als Punk - und Klassikfan verstehe die Anti - Bon Jovi Haltung zutiefst. Die Identifikation mit bestimmten Bands ist ein wichtiger Teil von mir. Diese Bands drücken mit ihrer Musik, ihren Texten, ihrem Auftreten das aus, was ich nicht in Worte fassen kann. Das bedeutet auch, dass ich mich wie besagter Comedian unter keinen Umständen von Bon Jovi vertreten lassen würde. So wie dieser nicht mit einer Frau verheiratet sein wollte, die halbherziges Rockerdasein mit halbverzerrten Gitarren und halblangen Haaren als cool empfindet, so wollen sich viele Menschen nicht damit outen etwas cool zu finden das, sagen wir mal, „Ernste Musik“ ist. Verständlicherweise.

Spannend ist aber Folgendes: Versuchen Sie mal, einem Slayer - Fan zu erklären, warum Iron Maiden die bessere Band ist. Viel Spaß. Innerhalb der Klassik, die ebenso vielschichtig ist wie laute Gitarren - Musik existiert diese strikte Trennung zwischen Interpreten oder Komponisten interessanterweise nicht. Zumindest kann ich mir die Aussage eines Tschaikowski – Fans „Wenn ich nur eine einzige Vivaldi – Platte gefunden hätte – ich wäre wieder gegangen“ nicht vorstellen. Auch ein Schreiduell „Rattle!“ „Nein, Pappano, du taube Nuss!“ halte ich für nicht so häufig.

Diese Wertfreiheit oder Offenheit innerhalb der klassischen Musik gibt mir als jemand, der seine Identität durchaus auch aus der Musik schöpft ein Stück Freiheit, einfach nur die Musik zu genießen ohne mich darum kümmern zu müssen ob ich irgendwo dazu gehören will oder nicht.

 

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