Wo sind die Rolemodels?

Jüngst war ich auf einer Adventfeier im Kindergarten meines Sohnes. Und wie das in einem Dorf so üblich ist, wurde der Adventkranz gesegnet. Was mich dabei beeindruckt hat war, dass der Pastoralassistent zusammengebundene Haare trug die ungeöffnet locker bis zu den Ellbogen gereicht hätten. Und da er die Haare nun einmal zusammen gebunden trug sah man auch, dass sein Schädel links und rechts fast kahlrasiert war. Ich kenne diesen Mann kaum, aber würde ich von seiner Frisur auf seine Haltung schließen würde ich sagen er ist ein Revoluzzer, jemand der den Wunsch und den Mut hat die Institution von innen aufzubrechen und Dinge ins Rollen zu bringen.

Tatsächlich sehe ich gewisse Parallelen zwischen Kirche und Klassik: Je traditionsreicher das Orchester desto geringer scheint das Interesse, neue Bilder in die Köpfe der Menschen zu platzieren.

Ich habe einen Google - Versuch gestartet und zuerst „Identifikationsfiguren Rockmusik“ und anschließend „Identifikationsfiguren klassische Musik“ eingegeben und jeweils die Bildersuche aktiviert. Bei ersterem kamen Fotografien von Musikern aus mehreren Epochen, oft live fotografiert, die Spielfreude und Extase im Gesicht. Bei zweiterem erschienen Fotografien von Sinfonie-Orchestern vor einer Wand oder im Konzertsaal mit den Instrumenten in der Hand (!) mal einen kürzeren, mal einen längeren Stock verschluckt. Jeder Marketingexperte aus der Popkultur hätte den Fotografen sofort gefeuert. (Rockmusik - Anfänger erkennt man übrigens daran, dass sie auf Fotos ihr Instrument in der Hand halten. Die Profis konzentrieren sich darauf, Atmosphäre zu schaffen. Dies nur so am Rande)

Die Bilder dieser Rolemodels, wenn man sie überhaupt so nennen will, sind für Klassikneulinge so relevant wie für mich ein leeres Nutellglas. Menschen, die der Meinung sind, dass Klassik eine elitäre Musikrichtung ist - und die sich mit diesem Image nicht identifizieren können - lockt man mit Hochglanzablichtungen von Ballkleidern, Smokings und verklärtem Blick nicht ins Konzerthaus.

„Rolemodels“, so höre ich den einen oder anderen laut denken, „sind aber etwas für Teenager die sich in einer Orientierungsphase befinden.“ Da muss ich widersprechen. Wäre dem so, gäbe es keine Werbung mit pensionierten Fußballern oder über 70jährigen TV - Moderatoren.

 

 

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Vom Vorteil, 3 Minuten lang nicht mit dem Hintern zu wetzen.

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"Rattle!" "Nein, Pappano, du taube Nuss!”