Ich will aber nicht immer Sex haben.

Dass klassische Musik emotionslos ist, ist ein beliebtes Vorurteil – und in gewisser Weise stimmt auch, wenn man einen direkten Vergleich mit einem Rockkonzert bemüht. Besser gesagt: Es handelt sich um andere Emotionen. Der Druck aus den Lautsprechern, der Bass, der eine bösartige Beziehung mit Diskant-Gitarren eingeht, in den Magen drückt und in die Beine fährt besitzen die Kraft, unglaubliche Glücksgefühle auszulösen. Natürlich tickt da jeder anders, aber für mich fühlt sich das an wie Sex. Mick Jagger soll ja gesagt haben dass Rock´n´Roll ein Ersatz für Sex ist. Aber ich will vielleicht nicht immer Sex haben.

Während ich die Emotionen die bei einem guten Rockkonzert entstehen leicht zuordnen kann gelingt mir das bei einem klassischen Konzert nicht so einfach. Nehmen wir zum Beispiel Anton Bruckner. Bruckner war ein Meister darin, einen relativ aufgeräumten Gemütszustand zu präsentieren – um dann dem Publikum seine Ängste und Zweifel ungefragt um die Ohren zu hauen. Das kann durchaus anstrengend sein - die Frage ist ja auch ob ich wirklich einen so tiefen Blick in die Psyche eines anderen Menschen werfen möchte.

Natürlich weiß ich, dass ich mich bei einem Konzertbesuch mancher Komponisten auf eine Art Seelenstrip einstellen muss, zum Beispiel beim vierten Satz von Mahlers Fünfter, Samuel Barbers Adagio oder Edward Elgars Cello Konzert in E - Moll. Das ist nichts für Weicheier. Man braucht schon eine einigermaßen stabile Persönlichkeit um der Welt nach dem Konzert noch eine Chance zu geben.

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Wenn Welten aufeinander stoßen, klirrt das Champagnerglas.